Die Kunst des Blindflugs

Buechereien Wien: Großartig. 🙂

Ich bin glücklicher Besitzer einer Büchereikarte, wie das in Wien so schön heißt. Mit anderen Worten: Obwohl ich, als Buchhändler, jederzeit die Möglichkeit habe mir Bücher (verhältnismäßig) günstig zu organisieren, leihe ich mirregelmäßig ‚Stoff‘ aus Bibliotheken.

Das hat verschiedene Gründe. Zum Einen, weil Bücher heute eine Halbwärtszeit von etwa 4-5 Jahren haben. Nicht, dass sie danach zu Staub zerfallen (was das Platzproblem in meiner Wohnung endlich lösen würde, dafür aber vermutlich meinen Taschentuchverbrauch in die Höhe schrauben würde). Aber so lange dauert es etwa, bis ein Buch vergriffen ist, also nicht mehr bestellt werden kann.

Da helfen die Bibliotheken aus.

Und sie haben einen anderen Vorteil. Man kann Blindfischen /Blindfliegengehen – und das völlig gefahrlos. Was das heißt? Ganz einfach.

Wie ich das so mache, mit dem Angeln…

Amazon bringt großartige Buchempfehlungen, das muss man ihnen lassen. Ich bin kein gutes Beispiel, weil mein Buch-Verbrauch verhältnismäßig hoch ist und deshalb eine Menge Daten vorhanden sind, auf die sie ihre Analysen aufbauen konnten (bevor ich natürlich aufhörte dort zu bestellen…).

So großartig deren Algorithmen auch sein mögen, eines können sie nicht: einen echten Blindflug durch die Regale mit mir machen. Sicher, es gibt einige Möglichkeiten sich auch dort inspirieren zu lassen, wenn man einmal Lust auf etwas völlig anderes hat. Aber in Wahrheit ist das doch immer mit der Gefahr verbunden, Geld zum Fenster hinausgeworfen zu haben.

Stellt man einmal fest, dass dieses Manko elektronisch nicht behoben werden kann (wovon ich fest überzeugt bin), so steht man an einer Wegscheide -und es gibt zwei Möglichkeiten dieses Problem in der ‚offline-Welt‘ zu lösen: Buchhandlungen und Bibliotheken.

Die Bibliothek

Der einfache, gefahrlose Weg über die Bibliotheken funktioniert denkbar einfach: Man geht durch die Regalwände, in Abteilungen, in denen man zuvor noch nie war, und zieht einfach ein Buch heraus. Es spielt dabei keine Rolle, ob dieses Buch einen der Farbe wegen angesprochen hat, oder weil es dünn / dick war – noch nicht einmal, wenn man den Namen des Autoren cool gefunden hatte (Karin Slaughter ist ein tolles Beispiel für einen ‚coolen‘ Namen).

Man liest es an – und wenn es einem nicht gefällt, beginnt man den Vorgang von neuem. Ohne Risiko- das Buch kostet schließlich nichts. Eine tolle Methode um gänzlich neue Pfade zu beschreiten und auch einmal Bücher zu lesen, die gänzlich aus dem Rahmen der eigenen Gewohnheiten fallen. Ich selbst habe dabei durchaus die Liebe zu neuen Genres entdeckt – aber auch schon einige ‚Fehltritte‘ gemacht. Und alles, was dazwischen so liegt.

Ein Beispiel dafür war ‚Das Gottesspiel‘.

Die Buchhandlung

Anders geht es in einer Buchhandlung zu Werke. Zwar kann man auch dort einfach schmöckern, doch habe ich die Erfahrung gemacht, dass die wenigsten Kunden das so tun, wie oben beschrieben. Ich weiß nicht woran es liegt, doch das Flair in einer Buchhandlung ist … anders.

Vielleicht ist es ja damit verbunden, dass man weiß, dass einen das Experiment (im Gegensatz zur Methode Bibliothek) Geld kosten wird. Da sollte dann die Treffsicherheit auch ein wenig höher sein, nicht?

Genau hier kommt eine der stärken einer echten Buchhandlung ins Spiel: Das Personal. Ich möchte niemanden abqualifizieren, aber die Erfahrung zeigt, dass das eingeschränkte Sichtfeld eines Mitarbeiters in großen Buchhandlungen (‚Massenware‘ ist ein tolles Stichwort) sich nicht dazu eignet individuelle Empfehlungen sparten- oder genreübergreifend zu machen.

Denn wer nur einmal einen Ausflug in die Welt des Thrillers machen möchte, muss nicht gleich auf einen gewissen Erzählstil verzichten. Wenn man selbst in der Fiktion die Fakten nicht aus den Augen verlieren möchte, dann ist das durchaus auch in völlig anderen Schreibstilen möglich.

Vor Allem dann, wenn ich dauerhaft in der gleichen Buchhandlung die Beratung in Anspruch nehme, wird mein Buchhändler mir helfen können mich neu zu orientieren, ohne dabei auf die Dinge verzichten zu müssen, die für mich unverzichtbar sind.

Fazit

Riskiert doch einmal einen Blindflug! Es kann nicht schaden die eigenen Horizonte zu erweitern. Ob Bibliothek oder Buchhandlung – einen Versuch ist es auf jeden Fall wert. In meinem Fall hat sich das zu einer Angewohnheit gemausert. Und ich würde sie nicht mehr missen wollen! :mrgreen:

4 Kommentare zu „Die Kunst des Blindflugs“

  1. Ich habe Bibliotheken geliebt. Leider werden die immer mehr und mehr digitalisiert. Sprich: Um überhaupt ein ein Buch ranzukommen, muss man erst wissen, welches man haben will, um es anschliessend in der Datenbank zu bestellen, damit es entweder aus dem Magazin herausgeholt wird oder aus einer Filiale in Deine Filiale rübergebracht wird (oft kostet dieser Spaß ein bis zwei Euro).

    Was mich angeht:
    Mein geliebter Texxter hat eine Sitzecke, wo ich mich dann mit meinem ein Meter hohen Stapel voll Buchwünschen hinknalle um auszurechnen, wie lange ich mich nur noch von Pasta und Pfannkuchen ernähren werde, wenn ich all diese Bücher kaufe.
    Ich habe ein paar Mal sowas ähnliches, wie Du da beschreibst, im Hugendubel veranstalltet. Leider Gottes ist die Sitzecke erstens immer voll und zweiten gleich neben der Kinderabteilung. Im Hugendubel ist es sowieso schon laut, aber diese deutschen Kinder. 😡
    Und all die anderen kleineren Buchläden haben keine Sitzgelegenheit. Man fühlt sich da auch immer so, als würde man stören. Man soll das Buch kaufen, bevor man es ließt und ansonsten nur rein, Buch aussuchen, zahlen und gleich wieder raus.

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    1. Ja, es kann ganz schön schwierig sein sich eine Buchhandlung zu suchen, mit der das funktioniert. Was die Bibliotheken anlangt, haben wir in Wien wirklich Glück. Sie haben die richtige Mischung gefunden und sind (in den meisten Fällen) auch gut sortiert. 🙂

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  2. Ich hab bei den kleinen Buchhandlungen auch immer das Problem, dass ich das Gefühl habe, als störend empfunden zu werden. Jeder Schritt wird verfolgt und immer die freundliche Frage, ob ich etwas Bestimmtes suche. Dann ist es mir eher unangenehm, noch lange nur zu stöbern.
    Aber schön für einen Blindflug sind auch Flohmärkte, wollte ich noch anmerken. Da weiß man auch nie, was einem entgegenkommt, und kann so manchen Glückstreffer landen 🙂

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    1. Ja, das Problem kenn‘ ich. Darüber habe ich schon öfter mit meinem (älteren) Kollegen gesprochen: Die jüngeren Generationen wollen nicht dauernd angequatscht werden. „Wir“ recherchieren erst im Netz und kommen dann meistens mit konkreten Vorstellungen.

      Tatsächlich geht es mir in kleinen Läden auch immer so, weshalb ich die Anonymität eines großen Ladens bevorzuge. Aber bei Büchern geht die Qualität vor Schamgefühl. Zumindest bei mir. :mrgreen:

      Ausnahmen (wie die von mir oben beschriebene…) ergänzen die Regel. 😉

      Und ja: Flohmärkte hab‘ ich ganz vergessen! Die gehören natürlich auch dazu und sind meistens ware Goldgruben. Vor Allem was die Preise anlangt… 🙂

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